Sonntag, 9. November 2014

4. Tag – 09.11.2014 – Zweiter Tag der Jugendanhörung

Heute sind wir wieder gegen 9 Uhr morgens aufgebrochen zu Teil 2 der Veranstaltung, die wir gestern schon besucht haben.
Ein Teil unserer Gruppe ist noch Gebäck in der Panadería zwei Straßen weiter kaufen gegangen, damit wir bis zur Pause in fünf Stunden durchhalten.
Es war alles wie gehabt; die Teilnehmer waren aus verschiedenen Bundesstaaten Mexikos angereist, um die Aktionen ihrer Organisation oder ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Die Veranstaltung hat dann gegen 10 Uhr begonnen. Das erste Thema war „Urbanisierung und freier Handel in ihrer Bedeutung für die Jugend und zukünftige Generationen“, danach kamen noch die Themenblöcke „Gesundheitskrise der Jugend und Zerstörung der Umwelt zulasten der zukünftigen Generationen“, „Feminizid und Geschlechtergewalt“ sowie „Mord an der Jugend und Gewalt gegenüber Geschlechtern“ (alles eher sinngemäß übersetzt).
Im Laufe des Tages kamen ca. 30 Personen zu Wort, von denen jeder 10 Minuten sprechen durfte.

Wir behandelten die ersten drei Themen bis zur Essenspause um 15 Uhr und ich war überwältigt von der Vielzahl an Missständen, die die Zeugen anprangern.
Hier ein paar Schlagworte zu den jeweiligen Themen:
zum ersten Block „Verstädterung und freier Handel“ lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Landflucht und damit einhergehende  Verstädterung zu immer mehr Gebäuden und der Anlegung von Straßen geführt hat. Das hat zur Folge gehabt, dass es an Grünflächen fehlt, die öffentlichen Verkehrsmittel unzureichend und teuer sind und es durch die vielen Autos zu hoher Luftverschmutzung kommt. Auch ist z.B. Rad fahren keine richtige Alternative, da viele Radfahrer in den chaotischen Straßenverhältnissen überfahren werden.
Zudem wurde berichtet, wie indigene Gemeinden von ihren Territorien vertrieben werden und die Umwelt zerstört wird, um Megaprojekte (z.B. des Tourismus) oder Autobahnen bauen zu können.


Im zweiten Themenblock, „Gesundheitskrise und Umweltzerstörung“ ging es vor allem um die Beeinträchtigungen der Gesundheit durch hochgiftige Pestizide, Wasserverschmutzung durch Einleitung industrieller Chemikalien in Flüsse und Abwässer aus Mexiko-Stadt und Auswirkungen des genveränderten Essens. Krankheiten die genannt wurden sind Nierenversagen, Hautkrankheiten, Asthma, sowie Sterilität, Krebs, Lernbehinderung und Diabetes, Übergewicht. Vieles davon wurde auch schon bei Kindern festgestellt.
Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass z.B. das Gesundheitssystem keine Programme zur Ernährung während der Schwangerschaft oder für das Neugeborene anbietet und es keine Aufklärung gibt über die Gefahren der „industrialisierten“ Nahrung für den Fötus und später für das Neugeborene. Auch erfahren Schwangere Diskriminierungen und werden schlecht oder gar nicht behandelt.

Der letzte Block vor der Pause handelte von Feminiziden und der Gewalt und Diskriminierung gegenüber Trans- und homosexuellen Menschen.
In Mexiko ist der Feminizid ein feststehehender Begriff. Er meint die Gewalt gegenüber Frauen aufgrund ihres Geschlechts. In Mexiko gibt es viele Fälle, wo junge Frauen verschwinden und entweder nicht gefunden oder ermordet aufgefunden werden. Gemein haben die meisten dieser Fälle, dass keine richtigen Ermittlungen angestellt werden und häufig der Schuldige nicht gefunden oder nicht bestraft wird. Die daraus resultierende Straflosigkeit führt dazu, dass immer weiter junge Frauen entführt und getötet werden.
Auch der geschilderte Fall der Transsexuellen zeigt die Gewalt gegen das Geschlecht. Hier finden sich ebenfalls Verzögerungstaktiken und nach acht Monaten gibt es noch keine Ermittlungsergebnisse.

Während der Veranstaltung empfand ich besonders die Schilderungen der Angehörigen der getöteten jungen Frauen als sehr emotional. Sie erzählten vom Tag des Verschwindens ihrer Töchter bis zum Finden der Leiche und der Identifizierung. Dann legten sie das Verhalten der ermittelnden Polizisten dar; nämlich Untersuchungen, die nach keinerlei Logik oder Protokollen durchgeführt wurden und über lange Zeiträume keine Ergebnisse brachten.
Man spürte deutlich die Hilflosigkeit und Wut der Sprechenden und merkte auch an dem langanhaltenden Beifall und den Rufen aus dem Publikum, dass die Zuhörer ähnlich betroffen waren.

Nach diesem thematischen Abschnitt hatten wir Pause und holten uns draußen Sandwiches zum Mitnehmen. Wir gingen die Straße hinunter zum Zócalo und um den Kopf wieder ein wenig freizubekommen, hielten unsere Gesichter in die Sonne. Es waren viele Menschen in den Straßen und plötzlich kam eine Gruppe vorbei, die für die verschwundenen Studierenden aus Guerrero demonstrierten.
Gegen 16.30 Uhr gingen wir zurück zum Veranstaltungsort und kauften auf dem Weg noch Farben und Pinsel für den morgigen Workshop. Wir hörten noch eine Sprecherin zum Thema „Mord an der Jugend“, die von ihren vier verschwundenen Söhnen berichtete. Auch dieser Beitrag war sehr emotional und das Publikum drückte seine Empathie durch Applaus und Zurufe aus.

Für alle Interessierten hier der Link zum Livestream der Jugendanhörung:

Zurück in der Herberge sitzen wir abends noch zusammen und lassen den Abend ruhig ausklingen.

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