Heute sind wir wieder gegen 9 Uhr morgens aufgebrochen zu
Teil 2 der Veranstaltung, die wir gestern schon besucht haben.
Ein Teil unserer Gruppe ist noch Gebäck in der Panadería
zwei Straßen weiter kaufen gegangen, damit wir bis zur Pause in fünf Stunden
durchhalten.
Es war alles wie gehabt; die Teilnehmer waren aus
verschiedenen Bundesstaaten Mexikos angereist, um die Aktionen ihrer
Organisation oder ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Die Veranstaltung hat dann gegen 10 Uhr begonnen. Das erste
Thema war „Urbanisierung und freier Handel in ihrer Bedeutung für die Jugend
und zukünftige Generationen“, danach kamen noch die Themenblöcke
„Gesundheitskrise der Jugend und Zerstörung der Umwelt zulasten der zukünftigen
Generationen“, „Feminizid und Geschlechtergewalt“ sowie „Mord an der Jugend und
Gewalt gegenüber Geschlechtern“ (alles eher sinngemäß übersetzt).
Im Laufe des Tages kamen ca. 30 Personen zu Wort, von denen
jeder 10 Minuten sprechen durfte.
Wir behandelten die ersten drei Themen bis zur Essenspause
um 15 Uhr und ich war überwältigt von der Vielzahl an Missständen, die die
Zeugen anprangern.
Hier ein paar Schlagworte zu den jeweiligen Themen:
zum ersten Block „Verstädterung und freier Handel“ lässt
sich zusammenfassend sagen, dass die Landflucht und damit einhergehende Verstädterung zu immer mehr Gebäuden und der
Anlegung von Straßen geführt hat. Das hat zur Folge gehabt, dass es an
Grünflächen fehlt, die öffentlichen Verkehrsmittel unzureichend und teuer sind
und es durch die vielen Autos zu hoher Luftverschmutzung kommt. Auch ist z.B.
Rad fahren keine richtige Alternative, da viele Radfahrer in den chaotischen
Straßenverhältnissen überfahren werden.
Zudem wurde berichtet, wie indigene Gemeinden von ihren
Territorien vertrieben werden und die Umwelt zerstört wird, um Megaprojekte
(z.B. des Tourismus) oder Autobahnen bauen zu können.
Im zweiten Themenblock, „Gesundheitskrise und
Umweltzerstörung“ ging es vor allem um die Beeinträchtigungen der Gesundheit
durch hochgiftige Pestizide, Wasserverschmutzung durch Einleitung industrieller
Chemikalien in Flüsse und Abwässer aus Mexiko-Stadt und Auswirkungen des
genveränderten Essens. Krankheiten die genannt wurden sind Nierenversagen,
Hautkrankheiten, Asthma, sowie Sterilität, Krebs, Lernbehinderung und Diabetes,
Übergewicht. Vieles davon wurde auch schon bei Kindern festgestellt.
Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass z.B. das
Gesundheitssystem keine Programme zur Ernährung während der Schwangerschaft
oder für das Neugeborene anbietet und es keine Aufklärung gibt über die
Gefahren der „industrialisierten“ Nahrung für den Fötus und später für das
Neugeborene. Auch erfahren Schwangere Diskriminierungen und werden schlecht
oder gar nicht behandelt.
Der letzte Block vor der Pause handelte von Feminiziden und
der Gewalt und Diskriminierung gegenüber Trans- und homosexuellen Menschen.
In Mexiko ist der Feminizid ein feststehehender Begriff. Er
meint die Gewalt gegenüber Frauen aufgrund ihres Geschlechts. In Mexiko gibt es
viele Fälle, wo junge Frauen verschwinden und entweder nicht gefunden oder
ermordet aufgefunden werden. Gemein haben die meisten dieser Fälle, dass keine
richtigen Ermittlungen angestellt werden und häufig der Schuldige nicht
gefunden oder nicht bestraft wird. Die daraus resultierende Straflosigkeit
führt dazu, dass immer weiter junge Frauen entführt und getötet werden.
Auch der geschilderte Fall der Transsexuellen zeigt die
Gewalt gegen das Geschlecht. Hier finden sich ebenfalls Verzögerungstaktiken
und nach acht Monaten gibt es noch keine Ermittlungsergebnisse.
Während der Veranstaltung empfand ich besonders die
Schilderungen der Angehörigen der getöteten jungen Frauen als sehr emotional.
Sie erzählten vom Tag des Verschwindens ihrer Töchter bis zum Finden der Leiche
und der Identifizierung. Dann legten sie das Verhalten der ermittelnden
Polizisten dar; nämlich Untersuchungen, die nach keinerlei Logik oder
Protokollen durchgeführt wurden und über lange Zeiträume keine Ergebnisse
brachten.
Man spürte deutlich die Hilflosigkeit und Wut der
Sprechenden und merkte auch an dem langanhaltenden Beifall und den Rufen aus
dem Publikum, dass die Zuhörer ähnlich betroffen waren.
Nach diesem thematischen Abschnitt hatten wir Pause und
holten uns draußen Sandwiches zum Mitnehmen. Wir gingen die Straße hinunter zum
Zócalo und um den Kopf wieder ein wenig freizubekommen, hielten unsere
Gesichter in die Sonne. Es waren viele Menschen in den Straßen und plötzlich
kam eine Gruppe vorbei, die für die verschwundenen Studierenden aus Guerrero
demonstrierten.
Gegen 16.30 Uhr gingen wir zurück zum Veranstaltungsort und
kauften auf dem Weg noch Farben und Pinsel für den morgigen Workshop. Wir
hörten noch eine Sprecherin zum Thema „Mord an der Jugend“, die von ihren vier
verschwundenen Söhnen berichtete. Auch dieser Beitrag war sehr emotional und
das Publikum drückte seine Empathie durch Applaus und Zurufe aus.
Für alle Interessierten hier der Link zum Livestream der
Jugendanhörung:
Zurück in der Herberge sitzen wir abends noch zusammen und
lassen den Abend ruhig ausklingen.
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