Dienstag, 11. November 2014

6. Tag - 11. November 2014 - Turismo

Liebe Leserinnen und Leser,

der heutige Blogeintrag beschäftigt sich mit dem Besuch unserer Reisegruppe in Teotiuacàn und der Villa Guadalupe. Außerdem berichte ich von meinen Eindrücken bezüglich des Straßenverkehrs in der Megastadt Mexiko City.


Da die Anhörungen des TPP erst am Mittwoch weitergehen, konnten wir den heutigen Dienstag für eine Tour zu einigen Sehenswürdigkeiten in und um Mexiko City nutzen. Ganz oben auf unserer Wunschliste und in allen Reiseführern stehen die Ruinen von Teotiuacàn. So war es auch nicht schwer eine Reiseagentur zu finden, die uns mit einem eigenen Bus dorthin brachte. Es wäre auch möglich gewesen, die Strecke von ca. 50 km mit einem öffentlichen Bus zurück zu legen. Davon wird Touristen aber aktuell dringend abgeraten, da es in letzter Zeit mehrfach zu Überfällen in diesen Bussen kam.

Um kurz nach neun Uhr holte uns Jaime, unser Fahrer, am vier Metrostationen von unserer Unterkunft entfernten Hotel Fontàn an der Paseo de la Reforma ab. Für den eigentlich recht kurzen Weg zum Abfahrtsort hatten wir eine Dreiviertelstunde eingeplant, da wir damit gerechnet haben, in die letzte Welle der Rushhour zu geraten. Wie sich herausstellte, war unsere Sorge unbegründet - die Bahnen waren nicht mehr überfüllt und wir kamen schnell voran.

Die Fahrt nach Teotiuacàn dauerte ca. eine Stunde. Auf dem Weg legten wir kurze Zwischenstopps am Monumento a la Revolución und dem Templo Mayor ein. Wir verließen die Stadt über eine Autobahn, die Teil des Inter-American-Highway ist, einer durchgehenden Fernstraßen von den USA bis nach Guatemala. Aus dem Fenster konnten wir erstmals die colonias populares sehen, jene informellen Siedlungen, die an den Bergen um Mexiko City „hinaufwachsen“ und den Großteil des Wachstums der Stadt absorbieren. Der Kontrast zu den wohlhabenden zentralen Stadtteilen, in denen wir uns bisher überwiegend bewegt haben, war deutlich zu erkennen.

In Teotiuacàn angekommen wurden wir zunächst auf einen Hof geführt, in dem uns etwas über die Nutzung der Kaktuspflanze sowie über die Herstellung von Obsidian und Silber erzählt wurde. Wie bei organisierten Touristentouren wohl unvermeidlich, endete die Präsentation in einem Souvenierladen, in dem alle zuvor gezeigten Produkte erworben werden konnten. Das ganze war jedoch nicht aufdringlich und der freundliche Señor, der uns über den Hof geführt hatte, sprach überraschend gut Deutsch. Er sagte, dass er die Sprache allein durch den Kontakt mit deutschen Touristen erlernt hätte.

Jaime stellte sich als Multitalent heraus: Er lenkte nicht nur unseren Bus sicher durch den chaotischen Verkehr Mexiko Citys, sondern übernahm auch sehr kompetent unserer Führung durch die Ruinenanlage. Teotiuacàn war vom 2. Jhd. v. Chr. bis zum 9 Jhd. n. Chr. bewohnt. Zu ihrer Blütezeit war die Stadt mit ihren 200.000 Einwohnern und einer Fläche von 20 Quadratkilometern das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum Amerikas. Die heute sichtbaren Ruinen umfassen nur ca. 10 % der damaligen Größe. Gut erhalten sind die nach exakten astronomischen Berechnungen ausgerichtete Mond- und Sonnenpyramide. Die meisten von uns haben sich an den steilen und anstrengenden Aufstieg auf die 75 Meter hohe Sonnenpyramide gewagt und wurden dafür mit einem grandiosen Ausblick belohnt (siehe unten). Erstaunlich: Kurz nach uns hat eine Gruppe US-amerikanischer Touristinnen die 248 schmalen und unebenen Stufen tatsächlich in Strandlatschen und Highheels bewältigt.


Warum die Teotiuacàn aufgegeben wurde und was mit den Erbauern passierte, war bereits den Azteken, die Mexiko in den folgenden Jahrhunderten beherrschten und in der Nähe ihre Hauptstadt Tenochtitlán (das heutige Mexiko City) errichteten, nicht mehr bekannt. Dass Teotiuacàn beim Eintreffen der spanischen Eroberer im 16. Jhd. n. Chr. schon lange nicht mehr bewohnt war, rettete es vor der Zerstörung. Die zu dieser Zeit aktiv genutzten aztekischen Heiligtümer wurden weitgehend zerstört und durch christliche Kirchen ersetzt.

Unterhalb der Pyramiden bieten heute zahlreiche Händlerinnen und Händler zum Teil selbst hergestellte Schmuckstücke, Keramiken und Textilien an. Sie alle sind Bewohnerinnen und Bewohner des nächstgelegenen Dorfes und sehen sich als die legitimen Erben Teotiuacans an, die ein Recht darauf haben, vom Tourismus zu profitieren. Sie mussten jedoch lange für die offizielle Erlaubnis kämpfen, neben den lizenzierten Souvenierläden an den Eingängen ihre Waren innerhalb der Ruinenanlage anbieten zu dürfen.

Am Nachmittag machten wir uns auf den Rückweg nach Mexiko City. Dort besuchten wir die Villa de Guadalupe, einen Platz, um den herum mehrere Basilikas stehen, die der Verehrung der Nuestra Señora Guadalupe dienen. Die größte von ihnen, die Nueva Basilica, bietet Platz für bis zu 20.000 Menschen. Auf einem Hügel über der heutigen Villa de Guadalupe soll die Heilige im Jahre 1513 einem aztekischen Bauern erschienen sein. Diese Erscheinung hatte großen Einfluss auf die Verbreitung des Katholizismus in Mexiko. In der Person der Heiligen Guadalupe wurden zahlreiche indigene Traditionen in das Christentum integriert. Das ist einer der Gründe für ihre enorme Beliebtheit und Allgegenwärtigkeit in Form von Bildern und Figuren in ganz Mexiko. Jedes Jahr pilgern 20 Millionen Gläubige zur Villa de Guadalupe, so dass diese heute das meistbesuchte katholische Heiligtum der Welt ist. Viele arme Mexikaner sparen ihr gesamtes Leben, um sich im Alter einmal eine Pilgerreise zum Bildnis der Gudalupe in der Nueva Basilica leisten zu können.

Die Rückfahrt in Richtung unserer Unterkunft haben wir gegen 17.00 Uhr angetreten – mitten in der Rushhour. Dementsprechend langsam ging es auch voran. Zu den Stoßzeiten sind die Straßen in Mexiko City hoffnungslos überfüllt. An vielen großen Kreuzungen sorgt ein nicht leicht zu durchschauendes Zusammenspiel aus Ampeln und Verkehrspolizisten in gelben Uniformen dafür, dass der Verkehr einigermaßen fließt.

Der öffentliche Nahverkehr gilt, zumindest in den zentralen Stadtbezirken, als vorbildlich. Wenn Millionen Menschen auf einmal zur Arbeit, Schule oder Uni müssen, stößt aber auch er an seine Grenzen. Das öffentliche Verkehrsnetz beruht im Wesentlichen auf drei Säulen: Der Metro, die überwiegend unterirdisch fährt, den Metrobussen, die über Oberleitungen betrieben werden und für die auf den großen Straßen eine eigene Fahrspur reserviert ist und den Autobussen, die kleiner sind als die Metrobusse und auch in entlegenere Stadtteile fahren. Die Bezahlung der Metro und Metrobuse unterscheidet sich grundlegend von dem System in europäischen Großstädten. Es gibt keine Fahrkarten und Tarife im eigentlichen Sinne. Stattdessen muss man „Eintritt“ bezahlen, um in die Metro- und Metrobusstationen gelangen zu können (5 Pesos in der Metro, 6 bei den Metrobussen). Dafür kann man dann beliebig weit fahren und umsteigen, solange bis man den zahlungspflichtigen Bereich wieder verlässt. Am Zugang wacht die Metropolizei in ihren roten Uniformen mit strengen Augen darüber, dass niemand über die Schranken klettert, die sich nur mit einer zuvor aufgeladenen Bezahlkarte öffnen lassen. Zu den Hauptverkehrszeiten gibt es in vielen Bahnen Waggons, die nur Frauen vorbehalten sind. Auf diesem Weg sollen Übergriffe durch Männer, die das dichte Gedrängel für unerwünschte Berührungen oder schlimmeres ausnutzen wollen, vermieden werden. Um Kindern und Analphabeten die Orientierung zu erleichtern, ist jeder Metrostation ein unverwechselbares Symbol zugeordnet, dass sich an allen Haltestellenschildern und Fahrplänen wiederfindet.

Der heutige Tag war von touristischen Aktivitäten geprägt. Dennoch haben wir viel mitgenommen, was uns beim interkulturellen Austausch, dem eigentlichen Zweck unserer Reise, weiterhelfen wird. Wir sind gespannt, wie es morgen weiter gehen wird und freuen uns auf den Campus der UNAM und den Kontakt mit den dortigen Studierenden.

Benjamin

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