Liebe Leserinnen und Leser,
der heutige Blogeintrag beschäftigt
sich mit dem Besuch unserer Reisegruppe in Teotiuacàn und der Villa
Guadalupe. Außerdem berichte ich von meinen Eindrücken bezüglich
des Straßenverkehrs in der Megastadt Mexiko City.
Da die Anhörungen des TPP erst am Mittwoch weitergehen, konnten wir den heutigen Dienstag für eine Tour zu einigen Sehenswürdigkeiten in und um Mexiko City nutzen. Ganz oben auf unserer Wunschliste und in allen Reiseführern stehen die Ruinen von Teotiuacàn. So war es auch nicht schwer eine Reiseagentur zu finden, die uns mit einem eigenen Bus dorthin brachte. Es wäre auch möglich gewesen, die Strecke von ca. 50 km mit einem öffentlichen Bus zurück zu legen. Davon wird Touristen aber aktuell dringend abgeraten, da es in letzter Zeit mehrfach zu Überfällen in diesen Bussen kam.
Um kurz nach neun Uhr holte uns Jaime,
unser Fahrer, am vier Metrostationen von unserer Unterkunft
entfernten Hotel Fontàn an der Paseo de la
Reforma ab. Für den eigentlich recht kurzen Weg zum
Abfahrtsort hatten wir eine Dreiviertelstunde eingeplant, da wir
damit gerechnet haben, in die letzte Welle der Rushhour zu geraten.
Wie sich herausstellte, war unsere Sorge unbegründet - die Bahnen
waren nicht mehr überfüllt und wir kamen schnell voran.
Die Fahrt nach Teotiuacàn dauerte ca.
eine Stunde. Auf dem Weg legten wir kurze Zwischenstopps am Monumento
a la Revolución und dem Templo Mayor ein. Wir verließen die Stadt
über eine Autobahn, die Teil des Inter-American-Highway ist, einer
durchgehenden Fernstraßen von den USA bis nach
Guatemala. Aus dem Fenster konnten wir erstmals die colonias
populares sehen, jene informellen Siedlungen, die an den Bergen um
Mexiko City „hinaufwachsen“ und den Großteil des Wachstums der
Stadt absorbieren. Der Kontrast zu den wohlhabenden zentralen
Stadtteilen, in denen wir uns bisher überwiegend bewegt haben, war
deutlich zu erkennen.
In Teotiuacàn angekommen wurden wir
zunächst auf einen Hof geführt, in dem uns etwas über die Nutzung
der Kaktuspflanze sowie über die Herstellung von Obsidian und Silber
erzählt wurde. Wie bei organisierten Touristentouren wohl
unvermeidlich, endete die Präsentation in einem Souvenierladen, in
dem alle zuvor gezeigten Produkte erworben werden konnten. Das ganze
war jedoch nicht aufdringlich und der freundliche Señor,
der uns über den Hof geführt hatte, sprach überraschend gut
Deutsch. Er sagte, dass er die Sprache allein durch den Kontakt mit
deutschen Touristen erlernt hätte.
Jaime stellte sich als Multitalent
heraus: Er lenkte nicht nur unseren Bus sicher durch den chaotischen
Verkehr Mexiko Citys, sondern übernahm auch sehr kompetent unserer
Führung durch die Ruinenanlage. Teotiuacàn war vom 2. Jhd. v. Chr.
bis zum 9 Jhd. n. Chr. bewohnt. Zu ihrer Blütezeit war die Stadt mit
ihren 200.000 Einwohnern und einer Fläche von 20 Quadratkilometern
das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum Amerikas. Die heute
sichtbaren Ruinen umfassen nur ca. 10 % der damaligen Größe. Gut
erhalten sind die nach exakten astronomischen Berechnungen ausgerichtete Mond- und Sonnenpyramide. Die meisten von uns haben sich an den steilen und anstrengenden Aufstieg auf die 75 Meter hohe Sonnenpyramide gewagt und
wurden dafür mit einem grandiosen Ausblick belohnt (siehe unten). Erstaunlich:
Kurz nach uns hat eine Gruppe US-amerikanischer Touristinnen die 248
schmalen und unebenen Stufen tatsächlich in Strandlatschen und
Highheels bewältigt.
Warum die Teotiuacàn aufgegeben wurde und was mit den Erbauern passierte, war bereits den Azteken, die Mexiko in den folgenden Jahrhunderten beherrschten und in der Nähe ihre Hauptstadt Tenochtitlán (das heutige Mexiko City) errichteten, nicht mehr bekannt. Dass Teotiuacàn beim Eintreffen der spanischen Eroberer im 16. Jhd. n. Chr. schon lange nicht mehr bewohnt war, rettete es vor der Zerstörung. Die zu dieser Zeit aktiv genutzten aztekischen Heiligtümer wurden weitgehend zerstört und durch christliche Kirchen ersetzt.
Unterhalb der Pyramiden bieten heute zahlreiche Händlerinnen und Händler zum Teil selbst hergestellte
Schmuckstücke, Keramiken und Textilien an. Sie alle sind Bewohnerinnen
und Bewohner des nächstgelegenen Dorfes und sehen sich als die legitimen Erben Teotiuacans an, die ein Recht darauf haben, vom Tourismus zu profitieren. Sie mussten jedoch lange für die offizielle Erlaubnis
kämpfen, neben den lizenzierten Souvenierläden an den Eingängen
ihre Waren innerhalb der Ruinenanlage anbieten zu dürfen.
Am Nachmittag machten wir uns auf den
Rückweg nach Mexiko City. Dort besuchten wir die Villa de Guadalupe,
einen Platz, um den herum mehrere Basilikas stehen, die der Verehrung
der Nuestra Señora
Guadalupe dienen. Die größte von ihnen, die Nueva Basilica, bietet
Platz für bis zu 20.000 Menschen. Auf einem Hügel über der heutigen Villa de
Guadalupe soll die Heilige im Jahre 1513 einem aztekischen Bauern erschienen
sein. Diese
Erscheinung hatte großen Einfluss auf die Verbreitung des
Katholizismus in Mexiko. In der Person der Heiligen Guadalupe wurden
zahlreiche indigene Traditionen in das Christentum integriert. Das ist einer der Gründe für ihre enorme Beliebtheit und Allgegenwärtigkeit in Form von Bildern und Figuren in ganz Mexiko. Jedes
Jahr pilgern 20 Millionen Gläubige zur Villa de Guadalupe, so dass
diese heute das meistbesuchte katholische Heiligtum der Welt ist.
Viele arme Mexikaner sparen ihr gesamtes Leben, um sich im Alter
einmal eine Pilgerreise zum Bildnis der Gudalupe in der Nueva
Basilica leisten zu können.
Die Rückfahrt in Richtung unserer
Unterkunft haben wir gegen 17.00 Uhr angetreten – mitten in der
Rushhour. Dementsprechend langsam ging es auch voran. Zu den
Stoßzeiten sind die Straßen in Mexiko City hoffnungslos überfüllt.
An vielen großen Kreuzungen sorgt ein nicht leicht zu
durchschauendes Zusammenspiel aus Ampeln und Verkehrspolizisten in
gelben Uniformen dafür, dass der Verkehr einigermaßen fließt.
Der öffentliche Nahverkehr gilt,
zumindest in den zentralen Stadtbezirken, als vorbildlich. Wenn
Millionen Menschen auf einmal zur Arbeit, Schule oder Uni müssen,
stößt aber auch er an seine Grenzen. Das öffentliche Verkehrsnetz
beruht im Wesentlichen auf drei Säulen: Der Metro, die überwiegend
unterirdisch fährt, den Metrobussen, die über Oberleitungen betrieben werden und für die auf den großen Straßen eine
eigene Fahrspur reserviert ist und den Autobussen, die kleiner sind
als die Metrobusse und auch in entlegenere Stadtteile fahren. Die
Bezahlung der Metro und Metrobuse unterscheidet sich grundlegend von
dem System in europäischen Großstädten. Es gibt keine Fahrkarten und
Tarife im eigentlichen Sinne. Stattdessen muss man „Eintritt“
bezahlen, um in die Metro- und Metrobusstationen gelangen zu können
(5 Pesos in der Metro, 6 bei den Metrobussen). Dafür kann man dann
beliebig weit fahren und umsteigen, solange bis man den
zahlungspflichtigen Bereich wieder verlässt. Am Zugang wacht die
Metropolizei in ihren roten Uniformen mit strengen Augen darüber,
dass niemand über die Schranken klettert, die sich nur mit einer
zuvor aufgeladenen Bezahlkarte öffnen lassen. Zu den
Hauptverkehrszeiten gibt es in vielen Bahnen Waggons, die nur Frauen
vorbehalten sind. Auf diesem Weg sollen Übergriffe durch Männer,
die das dichte Gedrängel für unerwünschte Berührungen oder
schlimmeres ausnutzen wollen, vermieden werden. Um Kindern und Analphabeten die Orientierung zu erleichtern, ist jeder Metrostation ein unverwechselbares Symbol zugeordnet, dass sich an allen Haltestellenschildern und Fahrplänen wiederfindet.
Der heutige Tag war von touristischen
Aktivitäten geprägt. Dennoch haben wir viel mitgenommen, was uns
beim interkulturellen Austausch, dem eigentlichen Zweck unserer
Reise, weiterhelfen wird. Wir sind gespannt, wie es morgen weiter
gehen wird und freuen uns auf den Campus der UNAM und den Kontakt mit
den dortigen Studierenden.
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